Dienstag, 7. Juni 2011

Wasser aus der Wüste

In Wüsten gibt es nur scheinbar kein Wasser. Die Luftfeuchtigkeit in der Negev-Wüste etwa beträgt 64 Prozent. Nun haben Stuttgarter Wissenschaftler einen Weg gefunden, diese Feuchtigkeit für die Versorgung der Wüstenstadt Beersheba zu nutzen.Die heiße Luft flimmert über dem Asphalt der Straße, flimmert über dem Wüstensand. Kein Strauch, kein Baum säumen das schnurgerade schwarze Band. Und dann taucht sie plötzlich auf, die Stadt - erst die kleinen Vorstadthäuschen, dann die modernen Wohnviertel. Mitten in der Negev gelegen, gilt Beersheba als viertgrößte Metropole Israel, nach Jerusalem, Tel Aviv und Haifa. Die Stadt wurde an dem Ort gegründet, wo der Genesis zufolge Abraham einen Pakt mit Abimelech schloss und einen längst versiegten Brunnen grub, sein hungerndes und dürstendes Volk mit Wasser zu versorgen: Beer Sheva - Brunnen des Schwurs.

Jordan hat zu wenig Wasser

Auch heute ist die Stadt durstig. Industrie - Chemie und Metallverarbeitung - und Bevölkerung brauchen Wasser, sehr viel Wasser. Und damit der Traum des Staatsgründers und ersten Präsidenten Israel, David Ben Gurion, von einer blühenden Negev, von grünen Kibbuzim und Moshavim (landwirtschaftlichen Genossenschaften) Wirklichkeit werden kann, braucht es Wasser.
In den vergangenen Jahrzehnten wurde das benötigte Nass mit einem verzweigten Kanalsystem aus dem Jordanfluss abgeleitet - häufig führte diese Praxis zu Konflikten mit dem Nachbarstaat. Auch klagten arabische Beduinen, dass ihnen die Stadt das Wasser abgrabe. Doch die Quellen unter der Negev sind versiegt. Um den immensen Bedarf zu stillen, müssen andere Wege gefunden werden.

Feuchte Wüstenluft

Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart haben gemeinsam mit ihren Kollegen von der Firma Logos Innovationen ein Verfahren entwickelt, dass wortwörtlich in der Luft liegt: Sie gewinnen das Wasser aus der Luftfeuchtigkeit.
Denn die Luft in den meisten Wüsten ist keinesfalls trocken. So liegt die relative Luftfeuchtigkeit in der Negev-Wüste im Jahresmittel bei 64 Prozent. Dieses Wasser mit einem umweltfreundlichen Verfahren zu gewinnen, war das Ziel der Wissenschaftler: „Der Prozess, den wir entwickelt haben, basiert ausschließlich auf regenerativen Energiequellen wie einfachen thermischen Sonnenkollektoren und Photovoltaikzellen, was diese Methode vollständig energieautark macht. Sie funktioniert also auch in Gegenden, in denen es keine elektrische Infrastruktur gibt”, sagt Siegfried Egner, Abteilungsleiter am IGB.

Salzlösung zieht Wasser an

Aber wie kann man der Luft dieses wertvolle Nass entziehen? Notwendig ist eine Substanz, die das Wasser liebt, also hygroskopisch ist. Und diese kennen wir aus unserem Haushalt: Salz. Das Salz bindet die Feuchtigkeit aus der Luft, dies nennen die Wissenschaftler Sorption. Um möglichst viel Feuchtigkeit aus der Luft gewinnen zu können, benutzen sie eine spezielle Salzsole, also eine hochkonzentrierte Salzlösung, die an einer turmförmigen Anlage herunterrinnt. So hat die Salzlösung eine enorm große Oberfläche, die dadurch sehr viel Wasser aus der Luft binden kann. Die große Oberfläche ist das eigentliche Geheimnis. Damit die Salzlösung an der Anlage überall gleichmäßig herunter läuft und die gesamte Säule benetzt, müssen Materialien gefunden werden, die eine optimale Adhesion der Sole an dieser Oberfläche gewährleisten. Rinnt die Salzlösung in „Bächlein” herab, ist deren Oberfläche nicht groß genug.
In einem zweiten Schritt muss das gewonnene Wasser von der Salzsole wieder getrennt werden: die so genannte Desorption. Dazu wird die Sole mit dem gewonnenen Wasser in einen Behälter gepumpt, der in einigen Metern Höhe steht und in dem Vakuum herrscht. Energie aus Sonnenkollektoren erhitzt diese Lösung bis zum Kochen. Durch das Vakuum wird der Siedepunkt der Lösung erniedrigt, das heißt die Lösung kocht schon bei einer niedrigeren Temperatur als 100 Grad Celsius. Das reine Wasser kann abdestilliert werden und zurück bleibt die konzentrierte Salzlösung. Diese kann dann erneut an der Turmoberfläche herunter fließen und der Kreislauf beginnt von vorn.

Von Einzelhaushalt bis Hotel

„Das Konzept eignet sich für verschiedene Größenordnungen: Es sind sowohl Anlagen für einzelne Haushalte denkbar als auch solche, die ganze Hotels mit Wasser versorgen”, sagt Egner. Für die beiden Einzelkomponenten, die Aufnahme der Luftfeuchtigkeit und die Vakuumverdampfung, gibt es Prototypen. Auch das Zusammenspiel beider Komponenten ist bereits getestet. Eine Pilotanlage soll in den nächsten zwölf bis achtzehn Monaten gebaut werden.
Nach der industriellen Fertigung könnte dann nicht nur der Traum Ben Gurions wahr werden, sondern auch weitere Wüstenstädte weltweit mit neuen Wasseranlagen versorgt werden - eines der dringendsten Menschheitsprobleme käme dann einer Lösung näher.

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